Recht aktuell

Hier informieren wir Sie über aktuelle Themen aus Rechtsprechung und Gesetzgebung, die von breitem praktischen Interesse sind. Wir haben dies übersichtlich kurz gestaltet, z.T. mit einer ersten Handlungsempfehlung, stehen Ihnen aber selbstverständlich gerne für eine vertiefte individuelle Beratung zur Verfügung. Bei Bedarf melden Sie sich bitte bei einem unserer Anwältinnen oder Anwälte.

Bei Kündigungen und auch anderen wichtigen Erklärungen stellt sich immer die wichtige Frage, wie das entsprechende Schriftstück dem Empfänger rechtssicher zugestellt werden kann. Häufig wird dann bei abwesenden Arbeitnehmern der Weg über ein Einwurf-Einschreiben gewählt, was jedoch nur vordergründig eine „gute Idee“ ist, wie nun wieder ein Arbeitgeber durch das praxisrelevante Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 12.12.2023 feststellen musste.

Der Arbeitgeber hatte eine Kündigung per Einwurf-Einschreiben an eine Mitarbeiterin versendet. Diese bestritt nun, dass sie das Kündigungsschreiben je erhalten habe, obwohl es ausweislich der Sendungsverfolgung, wonach das Schriftstück mit der auf dem Einlieferungsbeleg vermerkten Sendungsnummer an einem bestimmten Tag zugestellt wurde, in ihren Briefkasten eingeworfen worden war. Einen Auslieferungsbeleg, aus dem der Name des Postzustellers und eine technische Reproduktion seiner Unterschrift hervorgehen, hatte der Arbeitgeber von der Deutschen Post AG indes nicht angefordert und im Prozess auch nicht vorgelegt.

Während das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber in erster Instanz noch Recht gab, weil es bereits den Einlieferungsbeleg und die Sendungsverfolgung für die Annahme eines sogenannten Anscheinsbeweises für ausreichend hielt, sah dies das LAG Baden-Württemberg anders. Der Sendungsstatus allein habe nicht die gleiche Beweiskraft wie ein Auslieferungsbeleg, da er weder den Namen des Zustellers noch eine Reproduktion seiner Unterschrift enthalte, sodass eine „Gewährsperson“ für die Regelgerechtigkeit der Abläufe fehle. Letzteres sei jedoch Voraussetzung für die Zubilligung eines Anscheinsbeweises. Mit anderen Worten: Wenn der Arbeitgeber die Identität des Postzustellers nicht kennt, kann er im Streitfall den Zugang einer Kündigung mittels Einwurf-Einschreiben nicht beweisen.

Das LAG hat die Revision aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage zugelassen. Zumindest bis zu einer etwaigen Klärung durch das BAG sollten Arbeitgeber wichtige Erklärungen wie Kündigungen oder Abmahnungen im Zweifel nicht mehr per Einwurf-Einschreiben versenden. Und wenn jede Alternative zu aufwendig oder praktisch nicht machbar erscheint, sollten sie wenigstens den sog. Auslieferungsbeleg, der nicht mit der Sendungsverfolgung zu verwechseln ist (!), unbedingt rechtzeitig (dies ist bei der Deutschen Post AG derzeit ggf. nur 15 Monate lang möglich!) anfordern.

Um solche Debatten zu vermeiden und den sicheren Weg zu gehen, sollte im Falle der Anwesenheit des Erklärungsempfängers die persönliche Übergabe aller wichtigen Schriftstücke gegen Empfangsbestätigung auf einem Doppel und vorsorglich im Beisein eines Zeugen (kein Geschäftsführer) erfolgen und im Falle der Abwesenheit des Erklärungsempfängers sollte möglichst immer der Einwurf in dessen privaten Briefkasten durch einen vertrauenswürdigen Boten mit entsprechender Dokumentation organisiert werden.

Wer einen Betriebsrat hat, kennt das Problem: Aufgrund des uferlos weiten Katalogs des § 87 Abs. (1) BetrVG gibt es zahlreiche Belange, bei deren Regelung der Arbeitgeber der Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. Dabei entstehen immer wieder Abgrenzungsprobleme, insbesondere im Bereich des § 87 Abs. (1) Nr. 1 BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens im Betrieb vorsieht. Davon abzugrenzen sind aber mitbestimmungsfreie Maßnahmen im Bereich des Arbeitsverhaltens. Eine solche Abgrenzung ist aber nicht immer trennscharf möglich, weil Maßnahmen sowohl das Arbeits- als auch das Ordnungsverhalten betreffen können, wie z.B. ein Smartphone-Verbot. Nun liefert die vorgenannte Entscheidung des BAG wertvolle Vorgaben für die vorzunehmende Beurteilung.

Das BAG stellt in seiner Entscheidung darauf ab, welcher objektive Regelungszweck verfolgt wird. Bestimmt wird dieser nach dem Inhalt der Maßnahme und der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Ablaufs. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber das Ziel verfolgt, dass die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung durchgehend erbracht und dabei nicht durch die private Nutzung von Smartphones beeinträchtigt wird. Darin sah das BAG eine Konkretisierung der Arbeitspflicht, weil die private Nutzung des Smartphones zwingend die Arbeitspflicht beeinträchtige. Zwar handelte es sich nicht um eine Konkretisierung der Arbeitspflicht. Jedoch beträfen Anweisungen, welche zwar die zu verrichtenden Tätigkeiten nicht näher konkretisierten, gleichwohl aber ihre Erbringung sicherstellen wollten, ebenso das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten.

Was so klar und nachvollziehbar erscheint, war es leider zuvor in der Rechtsprechung nicht – dort wurde die Frage durchaus unterschiedlich beurteilt. Sogar frühere Entscheidungen des BAG konnten eine andere Wertung nahelegen. Von diesen hat sich das BAG aber nunmehr distanziert. Die aktuelle Entscheidung des BAG bringt damit eine wünschenswerte Klarstellung. Gleichwohl sollten Arbeitgeber aber weiterhin aufpassen: Der Weg zu einem mitbestimmungsfreien Smartphone-Verbot im Betrieb ist damit nicht generell geebnet; denn geklärt ist dies nur für die Zeit der eigentlichen Arbeitsverpflichtung.

Seit Einführung der DSGVO ist immer häufiger zu beobachten, dass nicht wenige Arbeitnehmer den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO in Kündigungsstreitigkeiten mit dem offenkundigen Ziel geltend machen, sich diesen in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses „versilbern“ zu lassen. Mag es manchem (Ex-)Arbeitnehmer auch um eine Auskunft in der Sache gehen, haben viele Kläger doch primär die Vorbereitung späterer Schadensersatzansprüche bei Nicht-Erfüllung des Auskunftsverlangens im Blick.

Die Geltendmachung war bisher einfach: Arbeitnehmer können nach Art. 15 DSGVO von ihrem Arbeitgeber – der insoweit als datenschutzrechtlich Verantwortlicher gilt – Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten und außerdem die Vorlage einer Kopie der von ihm verarbeiteten personenbezogenen Daten verlangen. Kommt der Arbeitgeber dieser Auskunfts- und Vorlagepflicht nicht oder nicht rechtzeitig nach, wofür er grundsätzlich nur einen Monat Zeit hat (!), drohen ihm erhebliche Schadensersatzansprüche. Dieses Risiko besteht sogar schon dann, wenn die Auskunftserteilung nicht ordnungsgemäß ist, wofür ausreicht, wenn innerhalb der Monatsfrist nicht alle datenschutzrechtlich relevanten Informationen erteilt oder mit den erforderlichen Kopien belegt werden. Die bloße Verletzung von Art. 15 DSGVO genügte daher in der Vergangenheit bisweilen bereits, um einen „immateriellen“ Schadensersatz für den Arbeitnehmer zu begründen.

In seiner aktuellen Entscheidung vom 27.07.2023 hat das LAG Baden-Württemberg dieser Praxis nun einen - zumindest kleinen - „Riegel“ vorgeschoben: Allein die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen des Arbeitnehmers nach Art. 15 DSGVO als solche stellt demnach noch keinen immateriellen Schaden dar. Der Kläger vermochte nach Auffassung der Richter im konkreten Fall nicht nachvollziehbar darzulegen, dass ihm aufgrund der verspäteten Auskunftserteilung ein immaterieller Schaden entstanden sei, weshalb seine Klage in diesem Punkt abgewiesen wurde.

Mit dieser Entscheidung knüpfte das LAG Baden-Württemberg an ein kurz zuvor ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.2023 an. Der EuGH hatte in dieser Entscheidung ebenfalls bereits auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch stets auch das Vorliegen eines Schadens erfordere, den nach allgemeinen Regeln der Anspruchsteller darzulegen hat. Der bloße Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO reicht daher regelmäßig noch nicht aus, um einen solchen Schadenersatzanspruch zu begründen.

Für betroffene Arbeitgeber ist diese Entwicklung der Rechtsprechung zunächst erfreulich. Gleichwohl wird abzuwarten sein, wie streng die Arbeitsgerichte die Anforderungen an den „Schadensvortrag“ von Arbeitnehmern künftig stellen werden. Nach den bisherigen Erfahrungen bei der Abwehr von Schadensersatzklagen von Arbeitnehmern infolge nicht oder nicht-rechtzeitiger Auskunftserteilung dürfte wohl nicht allzu viel Zeit vergehen, bevor entsprechende Aufforderungsschreiben um angepasste Musterformulierungen ergänzt werden, mit denen recht pauschal dargelegt wird, welche „Unbill“ dem Anspruchsteller durch die Unkenntnis über die Datenverarbeitung entstanden sein soll. Aus Arbeitgebersicht empfiehlt es sich jedenfalls, das Vorliegen eines ersatzfähigen immateriellen Schadens zu bestreiten, so dass im Zweifel insoweit eine gerichtliche Beweisaufnahme erfolgen muss.

GmbH-Geschäftsführer sind nach deutschem Recht regelmäßig keine Arbeitnehmer. Seit der Danosa-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2010 ist allerdings geklärt, dass auch Organmitglieder einer juristischen Person Arbeitnehmer im Sinne des europäischen Rechts sein können. Dies kann dazu führen, dass eigentlich nur für Arbeitnehmer geltende Vorschriften auch für die Organmitglieder Anwendung finden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind.

Zum einen muss es sich um eine Vorschrift handeln, die auf einer europäischen Richtlinie beruht, zum anderen darf diese wegen des Arbeitnehmerbegriffs nicht auf das nationale Recht verweisen. Bereits seit geraumer Zeit wurde deshalb darauf hingewiesen, dass bei GmbH-Geschäfts­führern das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) anwendbar sein müsse, weil es auf der Urlaubsrichtlinie der EU beruhe und diese nicht auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verweise.

Das BAG gab nun – wenig überraschend – der Klage einer Fremdgeschäftsführerin auf Urlaubsabgeltung statt, weil sich bei richtlinienkonformer Auslegung ein Anspruch unmittelbar aus § 7 Abs. (4) BUrlG ergebe, und zwar unabhängig davon, ob die Geschäftsführerin auch nach nationalem Recht als Arbeitnehmerin gelte. Jedenfalls sei sie es nach den unionsrechtlichen Maßgaben gewesen.

Die Entscheidung bringt rechtliche Klarheit, holt aber in der Begründung eigentlich zu weit aus. Denn nach der grundlegenden Danosa-Entscheidung des EuGH kommt es für die Einordnung als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts in erster Linie auf die Frage an, ob der Geschäftsführer auf die Willensbildung der Gesellschaft Einfluss nehmen und seine Abberufung verhindern kann. Nach diesem Maßstab sind Fremdgeschäftsführer immer Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts; selbst Minderheitsgesellschafter könnten es sein. Die Definition des EuGH ähnelt insoweit stark der sozialversicherungsrechtlichen Abgrenzung von selbständig und abhängig Beschäftigten im nationalen Recht.

Die nunmehr gewonnene Klarheit könnte in der Praxis Anlass geben, bei Anstellungsverträgen von Fremdgeschäftsführern Urlaubsregelungen auszugestalten wie bei den „normalen“ Arbeitnehmern auch, nämlich mit einem gesetzlichen Urlaubsanspruch und einem vertraglichen Zusatzurlaub, der in geringerem Umfang abgegolten wird. Ob dies bei jedem Geschäftsführer durchsetzbar ist, muss sich dann erweisen.

1. Welches Ziel verfolgt das Gesetz?

Das am 02.07.2023 in Kraft getretene HinSchG bezweckt den Schutz von Hinweisgebern („Whistleblowern“) vor negativen beruflichen Konsequenzen, wenn sie Informationen über rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen offenlegen, die sie im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit erlangt haben. Insbesondere schützt das Gesetz vor Kündigungen, Abmahnungen oder sonstigen Diskriminierungen, die im Zusammenhang mit solchen Offenlegungen erfolgen.

Außerdem müssen Arbeitgeber nun zu diesem Zweck interne Meldestellen einrichten, an die sich etwaige Whistleblower wenden können, und die entsprechenden Meldekanäle aufbauen, wobei insbesondere der Schutz der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber und weiterer Personen, die Gegenstand der Meldung sind, sichergestellt werden muss.

2. Welche Arbeitgeber müssen interne Meldestellen einrichten?

Das Gesetz betrifft grundsätzlich alle Arbeitgeber unabhängig von ihrer Rechtsform, mithin natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften und Personenvereinigungen. Der Anwendungsbereich ist also weit und erfasst Einzelfirmen wie auch GmbH, AG, KG, eingetragene Vereine, OHG oder Genossenschaften.

Die Pflicht zur Einrichtung solcher Meldestellen gilt allerdings nur für Arbeitgeber mit in der Regel über 50 Beschäftigten. Die Berechnung erfolgt dabei nicht nach einem bestimmten Stichtag, sondern der Gesetzgeber verweist hierbei auf § 23 Abs. (1) KSchG, weshalb es auf den regelmäßigen Beschäftigungsbedarf ankommt, der sich aus einem Rückblick auf die bisherige Personalstärke und einer Einschätzung der künftigen Entwicklung ergibt.

Daraus folgt, dass nur vorübergehend Beschäftigte und Leiharbeitnehmer nicht zu berücksichtigen sind, wenn damit nur ein kurzfristiger Beschäftigungsbedarf überbrückt wird. Noch unklar ist, wie Teilzeitbeschäftigte zu berücksichtigen sind, da diese im Rahmen des § 23 Abs. (1) S. 4 KSchG - je nach ihrer wöchentlichen Arbeitszeit - nur mit 0,5 bzw. 0,75 gerechnet werden.

Bis zu einer gerichtlichen Klärung sollte deshalb eher großzügig „nach Köpfen“ gerechnet werden, da bei verspätet eingerichteter interner Meldestelle ein Bußgeld von bis zu EUR 20.000,00 verhängt werden kann.

Diese internen Meldestellen stehen in Konkurrenz zu den staatlichen (externen) Meldestellen, da es den Hinweisgebern zunächst freisteht, an welche Meldestelle sie sich wenden möchten. Es kann also auch ein nicht unerhebliches Eigeninteresse an der Errichtung einer gut funktionierenden internen Meldestelle bestehen, wobei wir Ihnen gerne beratend zur Seite stehen.

3. Wann müssen solche Meldestellen eingerichtet werden?

Arbeitgeber mit in der Regel mindestens 250 Beschäftigten müssen bereits ab dem 02.07.2023 interne Meldestellen einrichten. Für bestimmte Branchen gilt dieser Zeitpunkt allerdings schon unabhängig von der Zahl der Beschäftigten (z. B. bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen). Ein Bußgeld für die verspätete Einrichtung einer internen Meldestelle kann allerdings erst ab dem 01.12.2023 verhängt werden, so dass es eine gewissen Schonfrist gibt.

Arbeitgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten trifft die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle dagegen erst ab dem 17.12.2023.

4. In welcher Form sind interne Meldestellen einzurichten?

Die Aufgaben der internen Meldestelle können sowohl eigenen Mitarbeitern als auch außenstehenden Dritten übertragen werden, die nicht dem Unternehmen angehören. Solche Dritte können z.B. Anwaltskanzleien oder sonstige Dienstleister (wie z. B. beim externen Datenschutzbeauftragten) sein.

Eine zentrale interne Meldestelle kann – anstatt gesondert in jedem Unternehmen – auch bei einer Konzerngesellschaft eingerichtet werden, die dann für mehrere Unternehmen innerhalb des Konzerns tätig wird. Außerhalb einer Konzernstruktur können auch mehrere Unternehmen mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten eine gemeinsame interne Meldestelle einrichten.

Bei der konkreten Ausgestaltung der internen Meldestelle ist unter anderem folgendes zu beachten:

  • Auf die eingehenden Meldungen und die Identität der Hinweisgeber sowie alle in der Meldung genannten Personen dürfen nur die hierfür zuständigen Personen Zugriff erhalten (Vertraulichkeitsgebot).

  • Die Meldungen müssen auch in nur mündlicher Form oder in Textform möglich sein. Dabei müssen mündliche Meldungen auch per Telefon oder einer anderen Art der Sprachübermittlung möglich gemacht werden.

  • Die in der Meldestelle eingesetzten Personen müssen zudem über die notwendige Fachkunde verfügen, wofür der insoweit verantwortliche Arbeitgeber zu sorgen hat. Nähere Anforderungen an die notwendige Fachkunde nennt das Gesetz allerdings nicht.

  • Die Meldungen müssen dokumentiert werden. Mündliche Meldungen dürfen jedoch als Tonaufzeichnung oder als Wortprotokoll nur mit Einwilligung des Hinweisgebers gespeichert werden; ansonsten ist eine Zusammenfassung des Inhalts durch die Meldestelle anzufertigen. Grundsätzlich ist die Meldung schließlich drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens zu löschen.

Es besteht zwar keine Verpflichtung zur Bearbeitung anonymer Meldungen durch interne Meldestellen. Allerdings dürfen Hinweisgeber frei wählen, ob sie sich an interne oder an externe (also staatliche) Meldestellen wenden. Da die externen Meldestellen regelmäßig anonyme Meldungen bearbeiten, sollten auch interne Meldestellen solche anonymen Meldungen zulassen, wenn der Arbeitgeber verhindern will, dass sich die Hinweisgeber von vornherein an externe Meldestellen wenden und die Meldung dadurch nach außen dringt, bevor der Arbeitgeber die Möglichkeit erhält, dem selbst nachzugehen.

5. Inwiefern muss der Betriebsrat beteiligt werden?

Da das Gesetz ab einer Beschäftigtenzahl von regelmäßig mehr als 50 Mitarbeitenden die Einrichtung interner Meldestellen verpflichtend vorschreibt, besteht beim „Ob“ der Einrichtung kein Gestaltungsspielraum, bei dem der Betriebsrat mitbestimmen könnte.

Abhängig von der gewählten Umsetzungslösung der Ausgestaltung der internen Meldestellen dürfte aber nach § 87 Abs. (1) Nr. 1 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht bestehen. Die Zuständigkeit richtet sich dabei nach der konkreten Organisation der Meldestelle: Anstelle des lokalen Betriebsrats kann bei Einrichtung einer Meldestelle auf der Ebene des Unternehmens der Gesamtbetriebsrat und bei unternehmensübergreifender Meldestelle ein Konzernbetriebsrat zuständig sein, was im Einzelfall zu prüfen ist.

6. Wen und wie schützt das Gesetz?

Das Gesetz schützt natürliche Personen, die Informationen über Verstöße gegen Straf- oder bestimmte Bußgeldvorschriften melden oder offenlegen, wenn diese Informationen im Zusammenhang mit oder im Vorfeld von ihrer beruflichen Tätigkeit erlangt wurden. Erfasst sind außerdem Informationen über Verstöße gegen bestimmte Rechtsvorschriften, etwa zur Produktsicherheit oder zum Umweltschutz.

Geschützt werden nicht nur die Beschäftigten des betroffenen Arbeitgebers, sondern auch Lieferanten, Bewerber, ehemalige Arbeitnehmer oder Organmitglieder (Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte).

Der Schutz erfolgt einerseits durch das Verbot, Hinweisgeber mit Repressalien zu belegen, also den Hinweisgeber aufgrund einer Meldung oder Offenlegung von Informationen zu benachteiligen. Andererseits sieht das Gesetz eine Beweislastumkehr vor: Der Arbeitgeber muss dementsprechend beweisen, dass die Maßnahme nicht aufgrund der Meldung oder Offenlegung erfolgt oder aus anderen Gründen gerechtfertigt ist (z. B. weil der Hinweisgeber selbst am Gesetzesverstoß mitgewirkt hat). Auch Schadensersatzansprüche des Hinweisgebers aufgrund etwaiger Repressalien kommen in Betracht.

Voraussetzung des Schutzes ist aber stets, dass sich der Hinweisgeber bei der Meldung oder Offenlegung von Informationen an das im Gesetz genannte Verfahren gehalten hat, hinreichender Grund für die Annahme bestand, dass die Informationen der Wahrheit entsprechen, und einen Verstoß betreffen, der vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst wird.

GmbH-Geschäftsführer können regelmäßig ohne Angabe von Gründen abberufen werden. Ihrer geschuldeten Tätigkeit können sie dann nicht mehr nachgehen, der mit längeren Kündigungsfristen ausgestaltete oder gar auf längere Dauer befristete Anstellungsvertrag läuft aber meistens weiter. Hier stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer tatsächlich auch noch eine erfolgsabhängige variable Vergütung für diese Zeit erhalten soll. Eine durchaus übliche Gestaltung sieht hier vor, dass der Geschäftsführer für die Zeit nach der Abberufung keine variable Vergütung mehr erhält.

Diese Gestaltung könnte nach der vorgenannten Entscheidung des OLG München künftig Problemen begegnen. Denn das OLG München ist der Auffassung, dass diese Klausel den Geschäftsführer unangemessen benachteilige und deshalb nach § 307 BGB als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam sei. Sie verstoße nämlich gegen den in § 38 GmbHG verkörperten Grundgedanken, wonach der Geschäftsführer zwar jederzeit abberufen werden könne, dies aber keinen Einfluss auf seinen Vergütungsanspruch habe.

Das Urteil ist rechtskräftig und wird künftig zu Diskussionen in den entsprechenden Fallkonstellationen führen. Ob es einer Überprüfung durch den BGH standgehalten hätte, ist dabei fraglich. Denn es gibt durchaus gute Argumente dafür, dass § 38 GmbHG gar nicht den Grundgedanken beinhaltet, der Geschäftsführer müsse seine Bezüge nach Abberufung ungeschmälert erhalten.

Bei der Vertragsgestaltung stellt sich nun allerdings die Frage, ob weiter an der Klausel festgehalten werden sollte. Dazu ist zu raten, solange eine alternative Gestaltung zur Einschränkung der Ansprüche nicht möglich oder sinnvoll ist, was wiederum davon abhängt, welchen Bemessungsgrundlagen die variable Vergütung folgt.

Bereits nach insoweit zwingenden europarechtlichen Vorgaben (Art. 157 AEUV) hat jeder Mitgliedsstaat der Europäischen Union die Entgeltgleichheit für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen. Dies hat u.a. zur Folge, dass die (zumeist) betroffenen weiblichen Arbeitnehmerinnen bei einem Verstoß gegen diesen Grundsatz Ansprüche unmittelbar gegen ihren Arbeitgeber auf Zahlung eines gleich hohen Arbeitsentgelts wie ihre männlichen Kollegen geltend machen können.

In Deutschland ist Art. 157 AEUV durch eine Reihe gesetzlicher Regelungen präzisiert worden. So etwa regelt § 3 Abs. (1) EntgTranspG, dass bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Benachteiligungen durch den Arbeitgeber wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten sind. Zudem sieht § 22 AGG (widerlegbare) Beweiserleichterungen bei einer möglichen Diskriminierung vor. Kann ein ggf. betroffener Mitarbeiter Indizien darlegen, die eine Benachteiligung zum Beispiel wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber hiernach die Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung vorlag.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Fall aus dem Frühjahr 2023 nun erneut entschieden, dass bereits „bloße“ Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen als solche ein Indiz für eine geschlechtsbedingte Lohndiskriminierung darstellen können. In dem aktuellen Fall reichte den Erfurter Richtern bereits ein einziger besser bezahlter männlicher Vergleichsarbeitnehmer aus, um ein solches Indiz anzunehmen. Dieser hatte bei seiner Einstellung erfolgreicher „verhandelt“ als seine Kollegin, so der Arbeitgeber, der sich insoweit auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit berief.

Das höchste deutsche Arbeitsgericht folgte dieser Argumentation allerdings nicht und sprach der Klägerin dasselbe Grundgehalt wie ihrem männlichen Kollegen zu. Der Arbeitgeber, so das BAG, habe im konkreten Fall die Vermutung, wonach die niedrigere Vergütung aufgrund des Geschlechts erfolgt sei, nicht widerlegen können.

Die Entscheidung des BAG hat - auch jenseits der juristischen Fachpresse - zu Recht viel Aufmerksamkeit erfahren. Nach Ansicht des BAG ist der von Arbeitgebern häufig bemühte Verweis auf individuelle Gehaltsverhandlungen oder das Interesse des Arbeitgebers an Personalgewinnung nicht (mehr) geeignet, eine unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen zu rechtfertigen. Kann daher eine Arbeitnehmerin aufzeigen, dass ein männlicher Kollege, der eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, mehr als sie verdient, reicht dieser Umstand nach Ansicht des BAG schon aus, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts zu vermuten. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, darzulegen und zu beweisen, dass die ungleiche Bezahlung nicht auf dem Geschlecht, sondern auf anderen objektiven Kriterien beruht.

Das Urteil des BAG macht deutlich, dass die Arbeitsvertragsfreiheit mit dem Grundsatz der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern nur schwer vereinbar ist. Vereinbarungen über die Gehaltshöhe „aus dem Bauch“ heraus, die nach traditionellem Rechtsverständnis von der Vertragsfreiheit gedeckt sind, sind spätestens seit dieser Entscheidung ohne ein erhebliches Risiko nicht mehr möglich. Sie sind zwar theoretisch zulässig, aber immer mit der Gefahr verbunden, sich in Abhängigkeit von der aktuellen Personalsituation ungewollt diskriminierend zu verhalten. In diesem Fall drohen Arbeitgebern außer Klagen, die auf „Lohngleichstellung“ gerichtet sind, zudem immaterielle Entschädigungsansprüche der betroffenen Mitarbeiter nach § 15 Abs. (2) AGG, die durchaus erheblich sein können. Im aktuellen Fall sprach das BAG dem Arbeitnehmer zusätzlich noch eine immaterielle Entschädigung von EUR 2.000,00 zu.

Abgesehen von individuellen Klagen einzelner Arbeitnehmer kann aber auch ein erhebliches sozialversicherungsrechtliches Risiko bestehen. Wegen des sozialrechtlichen Entstehungsprinzips muss eine Verbeitragung der höheren Vergütung von Anfang an mit der höheren Vergütung erfolgen, was aber im Streitfall erst nachträglich festgestellt werden kann. Wenn auch dieser beitragsrechtliche Aspekt bislang noch kaum „beleuchtet“ worden ist, so besteht doch die latente Gefahr, dass Arbeitgeber bei einer geschlechtsbedingten Lohndiskriminierung nicht nur zur Nachzahlung – auch von den Sozialkassen - herangezogen werden können, sondern sich möglicherweise sogar strafbar gemacht haben.

Gleichwohl bleiben auch nach der aktuellen BAG-Entscheidung noch etliche Kriterien, bei deren Heranziehung die ungleiche Bezahlung wegen des Geschlechts nicht indiziert ist. So nennt das BAG in seinem Urteil selbst (z.B.) eine bessere Qualifikation oder eine längere einschlägige Berufserfahrung des besser bezahlten Kollegen als mögliche Anknüpfungspunkte für eine unterschiedliche Gehaltshöhe. Es ist zu erwarten, dass es in künftigen Gerichtsverfahren um die weitere Ausdifferenzierung dieser Kriterien gehen wird. Für Arbeitgeber sollte das Urteil in jedem Fall Anlass sein, in Zukunft Gehaltsverhandlungen gründlich - noch umfassender als bisher - zu dokumentieren, um die Gründe für die vergütungsseitige Besser- bzw. Schlechterstellung einer Frau oder eines Mannes im Streitfall beweisen zu können.

Seit längerer Zeit gelten Zielvereinbarungen als probates Mittel zur Bemessung einer variablen Vergütung. Probleme gibt es aber immer, wenn die Zielvereinbarung nicht zustande kommt. Im vorgenannten Urteil hatte der Arbeitgeber vorgesehen, dass er in diesem Fall die Zielvorgabe nach billigem Ermessen gestalten kann. Die konkrete Ausgestaltung der Klausel ließ das LAG Hamburg dem Arbeitgeber aber nicht durchgehen.

Die Idee des Arbeitgebers war eigentlich gut, denn es ist gesetzlich erlaubt, Leistungen zuzusagen, die der Verpflichtete vom Inhalt her erst näher ausgestalten kann. Er muss die Leistungsbestimmung dann nach billigem Ermessen treffen, dessen Einhaltung gerichtlich voll überprüfbar ist (§ 315 BGB). Der Arbeitgeber hatte sich dieses Bestimmungsrecht für den Fall vorbehalten, dass die Vereinbarung von Zielen mit dem Arbeitnehmer scheitert. In diesem Fall sollte die Zielvereinbarung durch eine einseitige Zielvorgabe des Arbeitgebers ersetzt werden.

Allerdings beanstandete das LAG Hamburg, dass der Arbeitgeber nicht näher bestimmt hatte, wann denn das Bemühen um eine Zielvereinbarung gescheitert sein sollte. Daher sei die Klausel nicht klar und verständlich, weshalb sie gegen das bei AGB geltende Transparenzgebot (§ 307 BGB) verstoße. Der Arbeitgeber hätte demnach eine Definition von rechtlichen Voraussetzungen vornehmen müssen, wann die Vereinbarung einer Zielvereinbarung gescheitert sei. Nachdem die Zielvorgabe durch den Arbeitgeber unwirksam war, kamen in vollem Umfang die Grundsätze des BAG zum Schadensersatz bei unterbliebener Zielvorgabe-/vereinbarung zur Anwendung.

Gegen das Urteil wurde zwar Revision zum Bundearbeitsgericht eingelegt (10 AZR 171/23). Dennoch sollten Arbeitgeber die Entscheidung bei künftigen Vertragsgestaltungen nach Möglichkeit berücksichtigen und entsprechende Voraussetzungen definieren. Wo es möglich ist, sollte aber stets überlegt werden, ob man bei der Vereinbarung der variablen Vergütung nicht die einseitige Zielvorgabe wählt, um die Gestaltung gleich in der Hand zu haben.

Nach mehrjähriger Testphase wird ab dem 01.01.2023 für gesetzlich Krankenversicherte die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verpflichtend eingeführt. Was bedeutet das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

Bislang sah das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) vor, dass Arbeitnehmer bei einer länger als drei Kalendertage andauernden Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen hatten, und zwar an dem darauffolgenden Arbeitstag. Der Arbeitgeber war dabei berechtigt, die Vorlage der Bescheinigung bereits früher zu verlangen, also auch schon am ersten Krankheitstag.

Diese Pflicht entfällt nun – bis auf wenige Ausnahmen - für gesetzlich Krankenversicherte, während für privat Krankenversicherte alles beim Alten bleibt. Beim Alten bleibt es für alle ohnehin bei der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit: Hier besteht unverändert die Verpflichtung, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich, d.h. sofort und noch vor Arbeitsbeginn, mitzuteilen. Die Unterlassung dieser Anzeige kann wie bisher sanktioniert werden, und zwar zunächst mit einer Abmahnung, bei wiederholten Verstößen auch mit einer (verhaltensbedingten) Kündigung.

Für gesetzlich Krankenversicherte besteht jedoch ab dem 01.01.2023 die Pflicht, die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen zu lassen, wobei die bislang vom Arbeitnehmer zu beachtenden Zeitpunkte gleich bleiben, also am ersten Arbeitstag nach einer länger als drei Kalendertage andauernden Arbeitsunfähigkeit oder früher, soweit der Arbeitgeber dies verlangt hat. Letzteres kann der Arbeitgeber also weiterhin, und zwar sowohl im Einzelfall als auch generell, dann aber unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte eines etwaigen Betriebsrats. Ob eine bisherige Anordnung, bereits ab dem ersten Tag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, nun dahingehend umgedeutet werden kann, dass die ärztliche Feststellung ebenfalls am ersten Tag zu erfolgen hat, kann nicht sicher prognostiziert werden. Daher ist es im Zweifel besser, eine solche Anordnung nochmals ausdrücklich (nachweisbar) zu treffen.

Hat der gesetzlich Krankenversicherte die Arbeitsunfähigkeit ärztlich feststellen lassen, übernehmen der Arzt oder das Krankenhaus die elektronische Übermittlung an die gesetzliche Krankenkasse und der Arbeitgeber fragt die Daten sodann dort ab, wobei Grundlage hierfür die ordnungsgemäße Anzeige der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer ist. Allerdings sieht der Arbeitgeber dann nicht, bei welchem Arzt der Arbeitnehmer war, hat also auch keine Möglichkeit mehr, auf auffällige Bescheinigungen durch einschlägig bekannte Ärzte zu reagieren und mit dieser Begründung Untersuchungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen anzuregen. Der gesetzlich Versicherte erhält hingegen weiterhin eine Bescheinigung in Papierform, um seine Arbeitsunfähigkeit nachweisen zu können, wenn z.B. mit der elektronischen Bescheinigung etwas nicht funktioniert.

Auch bei gesetzlich Krankenversicherten wird allerdings noch nicht lückenlos eine eAU ausgestellt. Weiter erforderlich ist vielmehr eine Bescheinigung in Papierform bei Krankengeld nach § 45 SGB V für die Betreuung versicherter Kinder sowie bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation/Kuren und schließlich beim eher seltenen Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wird, der nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist.

Leider hat der Gesetzgeber in der Neuregelung für Unsicherheiten gesorgt. So kann der Arbeitgeber bekanntlich nach § 7 EFZG eine Entgeltfortzahlung verweigern, wenn der Arbeitnehmer seine Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verletzt. Dieses gesetzliche Recht wurde nun aber nicht auf den Fall erweitert, dass der Arbeitnehmer seiner neuen Verpflichtung zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht nachkommt. Welche Konsequenzen sich ergeben und auf welcher Grundlage der Arbeitgeber seine Zahlungen doch verweigern kann, bleibt daher vorerst unklar. Man wird dies vermutlich in der Praxis vorerst im Einzelfall zu entscheiden haben.

Handlungsbedarf im Hinblick auf die Anpassung von Arbeitsverträgen besteht aktuell nicht: Die Vorlagepflicht ab dem ersten Krankheitstag lässt sich weiterhin einseitig anordnen und möglicherweise vom Arbeitgeber gewünschte Abweichungen von den gesetzlichen Vorschriften zu Lasten der Arbeitnehmer sind nicht zulässig.

Bereits im Februar 2019 entschied das BAG, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nicht mehr automatisch erfolgt, sondern davon abhängig ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den drohenden Verfall seiner Urlaubsansprüche informiert.

Jetzt hat das BAG in drei „brandaktuellen“ Urteilen vom 20.12.2022 die Rechte der Ar-beitnehmer nochmals deutlich ausgeweitet. Auch die Frage der Verjährung von Urlaubsansprüchen soll nämlich davon abhängen, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen Urlaubsanspruch und die Verfallfristen hinreichend in Kenntnis gesetzt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Darüber soll die inzwischen weitgehend bekannte 15-Monatsfrist/-grenze zum Verfall von Urlaubsan-sprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern nur noch dann zur Anwendung kommen, wenn zuvor der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer entsprechend informiert hat. Das BAG folgt mit seinen Entscheidungen dem EuGH, der erst im September 2022 in drei Vorabentscheidungsverfahren (EuGH, Urt. vom 22.09.2022, C-120/21; C 518/20 und C 727/20) die Hinweispflichten der Arbeitgeber beim Urlaub deutlich verschärft hat.

Im ersten vom BAG entschiedenen Fall (Urt. vom 20.12.2022 - 9 AZR 266/20) hatte eine Steuerfachangestellte nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Abgeltung ihres nicht genommenen Jahresurlaubs aus den Jahren 2013 bis 2017 geklagt, den sie wegen der hohen Arbeitsbelastung nicht nehmen konnte, was zwischen den Parteien unstreitig blieb. Als die ehemalige Mitarbeiterin im Jahr 2018 die Abgeltung des Urlaubs der Vorjahre geltend machte, berief sich ihr Arbeitgeber auf die Verjährung dieser Ansprüche. Aller-dings hatte er zuvor nicht darauf hingewiesen, dass der Urlaub verfallen kann, wenn die Arbeitnehmerin ihn nicht rechtzeitig nimmt. Das BAG setzte die Vorgaben des EuGH in seinem Urteil um und bestätigte, dass der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub zwar grundsätzlich der gesetzlichen Verjährung unterliege (§§ 214 Abs. (1), 194 Abs. (1) BGB). Allerdings beginne die dreijährige Verjährungsfrist nicht zwangsläufig mit dem Ende des Urlaubsjahres, sondern erst am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Ver-fallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.

Dieser Hinweisobliegenheit war der Arbeitgeber im konkreten Fall nicht nachgekommen. Die Urlaubsansprüche der Mitarbeiterin verfielen deshalb weder am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums noch konnte der Arbeitgeber mit Erfolg einwenden, der nicht gewährte Urlaub sei bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt.

Die zwei weiteren Entscheidungen des BAG vom 20.12.2022 (9 AZR 401/19 und 9 AZR 245/19) hatten die Urlaubsansprüche von zwei Klägern zum Gegenstand, die infolge ihrer Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht nehmen konnten. Die Kläger machten jeweils Urlaubsansprüche für ein Jahr geltend, in dessen Lauf sie aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig bzw. erwerbsgemindert waren. Sie hätten den Urlaub aber bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise in Anspruch nehmen können.

Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG verfielen die gesetzlichen Urlaubsansprüche bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit mit Ablauf des 31.03. des zweiten Folgejahres automatisch (so die seit Jahren geltende „15-Monatsfrist“).

Diese Rechtsprechung hat das BAG nun aber teilweise verschärft, indem es die Vorgaben des EuGH auch insoweit konsequent umgesetzt hat. Hiernach bleibt es zwar dabei, dass der Urlaubsanspruch mit Ablauf der 15-Monatsfrist verfällt, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert war, seinen Urlaub anzutreten. Für diesen Fall kommt es auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist, weil diese – eben wegen der durchgehenden Erkrankung - nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs hätten beitragen können.

Wenn dagegen Mitarbeiter im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet haben, bevor sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig oder voll erwerbsgemindert wurden, setzt der Verfall des Urlaubsanspruchs für dieses Jahr regelmäßig voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich zu nehmen. In diesem Fall wird der Fristbeginn der 15 Monate deshalb erst nach Erfüllung der Hinweisobliegenheit durch den Arbeitgeber ausgelöst. Der Resturlaub für das Jahr, in dem der Mitarbeiter erkrankte oder voll erwerbsgemindert wurde, bleibt dann zu seinen Gunsten erhalten, wenn der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten bis zum Zeitpunkt der Erkrankung nicht nachgekommen ist, obwohl ihm dies möglich war.

Empfehlung: Einmal im Jahr schriftlich über Urlaubsansprüche informieren

In der Konsequenz dieser Entscheidungen liegt es, dass im bestehenden Arbeitsverhältnis offene Urlaubstage ggf. auch nach Jahren in Anspruch genommen werden können, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht (hinreichend) nachgekommen ist. Nach den Entscheidungen des BAG vom 20.12.2022 sollten Arbeitgeber diese daher nachweisbar beachten, um eine Verjährung oder einen Verfall des Urlaubsanspruchs zu erreichen.

Wir empfehlen allen Arbeitgebern daher dringend, ihre Arbeitnehmer einschließlich der langzeiterkrankten Mitarbeiter mindestens einmal jährlich - spätestens zum Ende des dritten Quartals - auf ihren noch bestehenden Urlaubsanspruch hinzuweisen, zur rechtzeitigen Beantragung aufzufordern und zugleich über die Konsequenzen der Nichtannahme zu belehren. Hierfür empfiehlt sich mindestens die Textform (etwa per E-Mail, deren Empfang man sich bestätigen lassen sollte. Noch besser wäre sicher ein schriftliches Dokument mit Empfangsbestätigung oder auch entsprechender Hinweis zusammen mit der Gehaltsabrechnung. Denn nur wer diesen Nachweis erbringt, wird sich als Arbeitgeber noch auf die Verjährung bzw. den Verfall von alten Urlaubsansprüchen berufen können.

Der Bundestag hat am 30.09.2022 die Einführung einer sog. Inflationsausgleichsprämie beschlossen, wonach Arbeitgeber seit dem 26.10.2022 unter bestimmten Voraussetzungen steuer- und sozialversicherungsfreie Zuschüsse an ihre Mitarbeiter gewähren können. Dies ist seither Tagesthema in vielen Betrieben und stellt allen Arbeitnehmern in Deutschland in Aussicht, von ihrem Arbeitgeber zum Ausgleich der momentan hohen Inflation steuer- und sozialabgabenfrei eine Zahlung von bis zu EUR 3.000,00 zu erhalten.

Entgegen mitunter zu hörenden Forderungen ergibt sich hieraus für Arbeitgeber zwar die Möglichkeit, ihren Arbeitnehmern eine solche Inflationsausgleichsprämie zukommen zu lassen, nicht aber die Pflicht zur Zahlung einer solchen Prämie. Das Gesetz sieht lediglich vor, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zur Abmilderung der Inflation einen steuer- und sozialversicherungsfreien Betrag von bis zu 3.000,00 Euro auszahlen können (§ 3 Nr. 11c EStG). Ob und in welcher Höhe eine solche Prämie gewährt wird, steht jedem Arbeitgeber grundsätzlich frei.

Entscheiden sich Arbeitgeber allerdings dazu, diese Prämie an ihre Mitarbeiter zu leisten, gilt es einiges zu beachten, damit sich aus der möglichen Vergünstigung keine „böse Überraschung“ ergibt. Voraussetzung für die Steuer- und Abgabenfreiheit ist zunächst, dass die Leistung „zusätzlich“ zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Es dürfen daher nicht etwa bestehende Vergütungsbestandteile, auf die Arbeitnehmer bereits einen Anspruch haben, in eine Inflationsausgleichsprämie „umgewandelt“ werden. Dies gilt nicht nur für alle laufenden Vergütungsansprüche wie das monatliche Grundgehalt und etwaige Zulagen, sondern auch für Sonderzahlungen, soweit hierauf ein vertraglicher Anspruch besteht (z.B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Boni). Auch eine „Verrechnung“ mit schon bestehenden Ansprüchen ist schädlich. Die Rechtslage ist daher insoweit vergleichbar mit der noch weitläufig bekannten bei der sog. „Coronaprämie“ (§ 3 Nr. 11a EStG).

Bei der konkreten Gestaltung der Inflationsausgleichsprämie sind Arbeitgeber jedoch an-sonsten weitgehend frei. Zum einen ist eine Auszahlung in Geld möglich, wobei in diesem Fall weder der gesetzliche Höchstbetrag von EUR 3.000,00 geleistet werden muss noch ist die vom Arbeitgeber als angemessen erscheinende Prämie zwingend auf einmal auszubezahlen. Es ist vielmehr ohne weiteres zulässig, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern z.B. in der Zeit zwischen Januar 2023 und Dezember 2024 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von insgesamt EUR 1.200,00 in monatlichen Teilbeträgen von jeweils EUR 50,00 gewährt. Sowohl ein derartiger (Gesamt-)Betrag als auch der Bezugszeitraum entsprächen den gesetzlichen Vorgaben.

Zum anderen können den Mitarbeitern als Inflationsausgleichsprämie auch Sachbezüge im Wert bis zu EUR 3.000,00 geleistet werden. Wegen des notwendigen Inflationsbezugs kommen hierfür insbesondere Tank- und/oder Einkaufsgutscheine in Betracht. Unabhängig davon, ob sich Arbeitgeber zu einer Geldzahlung oder zu einer Sachleistung entschließen, ist in arbeitsrechtlicher Hinsicht das Nachfolgende zu beachten.

Ein etwaig bestehender Betriebsrat ist – ggf. in Form einer Betriebsvereinbarung - zu beteiligen, wenn es darum geht, welche Mitarbeiter die Prämie in welcher Höhe bekommen sollen, da es sich hierbei um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung handelt, § 87 Abs. (1) Nr. 10 BetrVG. Denn auch insoweit hat der Betriebsrat zwar kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, ob der Arbeitgeber solche zusätzliche Leistungen gewährt, aber im Rahmen der Verteilung, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschlossen hat, ist der Betriebsrat zu beteiligen.

Zumindest in Betrieben ohne Betriebsrat sollten die Mitarbeiter über eine evtl. geleistete Inflationsausgleichsprämie unbedingt schriftlich unterrichtet werden. Wichtig dabei ist insbesondere der Hinweis auf die Freiwilligkeit, damit etwa bei Zahlung mehrerer Teilbeträge keine betriebliche Übung mit entsprechenden Folgeansprüchen entsteht. Bei Gewährung der Prämie ist zudem der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten, wobei daran zu erinnern ist, dass die Rechtsprechung hierzu relativ enge Voraussetzungen entwickelt hat, so dass der Arbeitgeber keineswegs jede unterschiedliche Behandlung rechtfertigen muss.

Die Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie ist lediglich befristet im Zeitraum vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 möglich. Innerhalb dieses Zeitfensters können aber Arbeit-geber die Prämie bis zum Maximalbetrag von EUR 3.000,00 steuer- und sozialversicherungsfrei leisten.

Sofern Arbeitgeber die Inflationsausgleichsprämie nicht ohnehin mit einem schriftlichen Hinweis an seine Mitarbeiter verbindet, was aus Gründen der Motivation zu empfehlen ist, raten wir jedenfalls dringend dazu, die Prämie auf der Lohnabrechnung gesondert kenntlich zu machen. Auf diese Weise kann – insbesondere bei einer späteren Lohnsteuer- oder Sozialversicherungsprüfung - der erforderliche Zusammenhang zwischen der Leistung der Prämie und der Preissteigerung nachgewiesen werden.

Nach der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 verbreitete sich in der Praxis eine Unruhe und betriebsame Hektik Es besteht aber keine zwingende Notwendigkeit, gleich zu Beginn des Jahres 2023 Umstellungen vorzunehmen. Die rechtliche Lage hierzu sowie die Aussichten der weiteren Entwicklung fassen wir Ihnen nachfolgend zusammen.

Gesetzlich ist es bislang schon so, dass § 16 Abs. (2) ArbZG eine Pflicht vorsieht, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen. Die werktägliche Arbeitszeit nach § 3 S. 1 ArbZG beträgt 8 Stunden. Daraus folgt, dass eine werktägliche Arbeitszeit über 8 Stunden genauso aufzuzeichnen ist wie jegliche Sonn- und Feiertagsarbeit. Dies ist natürlich weiterhin (und jetzt erst recht) zu beachten. Grundsätzlich gilt dies auch, wenn diese Grenze im Rahmen einer Vertrauensarbeitszeit überschritten wird, was sich dann aber ohnehin empfiehlt. Daneben bestehen in einigen Sondergesetzen Vorschriften zur Erfassung der Arbeitszeit, z. B. bei Minijobs oder wenn der Arbeitnehmer lediglich den Mindestlohn erhält.

Bereits 2019 hatte der EuGH nun entschieden, dass aus der Arbeitszeitrichtlinie eine Verpflichtung zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit folge. Da das Arbeitszeitgesetz auf der Arbeitszeitrichtlinie der EU beruht, stellte sich damit die Frage, ob das Urteil unmittelbare Auswirkungen auf die Pflichten deutscher Arbeitgeber hat. Dies wird im Ergebnis überwiegend verneint, weil eine Richtlinie der EU keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten entfaltet, sondern der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf. Der deutsche Gesetzgeber blieb aber seither untätig, sodass weiterhin keine Verpflichtung angenommen wurde, Arbeitszeitaufzeichnungen außerhalb des Geltungsbereichs des § 16 Abs. (2) ArbZG vorzunehmen.

Unruhe entstand dann durch eine aktuelle Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 (1 ABR 22/21). Dort ging es zunächst eigentlich nur um die Frage, ob der Betriebsrat ein Initiativrecht hat, ein Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen. Und dies verneinte das BAG mit der (etwas überraschenden) Begründung, dass der Arbeitgeber bereits gesetzlich verpflichtet sei, ein System zur vollständigen Arbeitszeiterfassung einzu-führen, also über den Geltungsbereich des § 16 Abs. (2) ArbZG hinaus. Wenn aber schon eine gesetzliche Verpflichtung bestehe, könne der Betriebsrat keine Betriebs-vereinbarung zu einer solchen Regelung erzwingen (so die konsequente Begründung des BAG).

Bemerkenswert war, dass das BAG dann in seiner ausführlichen Begründung die Pflicht zur vollständigen Arbeitszeiterfassung gar nicht aus dem Arbeitszeitgesetz herleitete, sondern aus § 3 Abs. (2) Nr. 1 ArbSchG. Zu diesem Ergebnis gelangte das BAG, indem es diese Norm im Lichte der Arbeitszeitrichtlinie interpretierte (sog. richtlinienkonforme Auslegung). Seit dem 03.12.2022 liegen nun auch die Entscheidungsgründe des Urteils vor. Das Bundesarbeitsministerium hatte zuvor erkennen lassen, dass es diese abwarten wollte, bevor es mit einem Gesetzentwurf tätig wird, der erfahrungsgemäß noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird.

Einen Großteil der Begründung des BAG nimmt die rechtliche Herleitung der richtlinienkonformen Auslegung ein, über die man trefflich streiten kann, was Ihnen als Arbeitgeber aber egal sein dürfte, denn für Sie zählen nur die Auswirkungen der Entscheidung. Rechtliche Konsequenzen für den Fall, dass man keine vollständige Arbeitszeitaufzeichnungen vornimmt, bestehen jedoch derzeit (noch) nicht. Ein Verstoß gegen § 3 Abs. (2) Nr. 1 ArbSchG stellt keine Ordnungswidrigkeit oder Straftat dar und kann deshalb nicht geahndet werden, auch nicht mit einem Bußgeldbescheid. So jedenfalls die hierzu noch einhellige Auffassung.

Dies wäre erst dann möglich, wenn die zuständige Arbeitsschutzbehörde eine konkrete Anordnung getroffen hätte, Arbeitszeitaufzeichnungen durchzuführen und Arbeitgeber dieser dann nicht nachkommen. Dass solche Anordnungen gegenüber einzelnen Unternehmen erfolgen, ist aber eher unwahrscheinlich.

Diskutiert wurde kurzzeitig auch, ob sich bei einer Nichtaufzeichnung der vollständigen Arbeitszeit Beweiserleichterungen des Arbeitnehmers in einem etwaigen Über-stundenprozess ergeben. Dem hat aber ein anderer Senat des BAG mit einer Entscheidung vom Frühjahr 2022 eine Absage erteilt. An dieser Entscheidung wird sich auch durch das neue Urteil nichts ändern, weil der andere Senat des BAG im Frühjahr bereits deutlich gemacht hatte, dass seine Auffassung zur Beweislast bei den Überstunden selbst dann gelte, wenn man bereits jetzt, also ohne weiteres Tätigwerden des Gesetzgebers, von einer Pflicht zur vollständigen Arbeitszeitaufzeichnung ausgehen sollte.

Derzeit folgen für den Arbeitgeber also keine sofortigen Konsequenzen daraus, dass er noch keine vollständige Arbeitszeitaufzeichnung vornimmt. Es besteht aber die prinzipielle Gefahr, dass der deutsche Gesetzgeber (wieder) ein „überschießendes“ System einführt, auch wenn eine solche Tendenz bislang noch nicht erkennbar ist.

Die aktuelle Entscheidung des BAG bringt insoweit allerdings keine neuen Erkenntnisse, sondern verweist nur auf die bereits vom EuGH vorgegebenen Kriterien. Danach muss die Erfassung gerade nicht ausnahmslos und zwingend elektronisch erfolgen und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass lediglich ein System zur Verfügung gestellt werden muss, wonach der Arbeitnehmer die Aufzeichnung selbst vorzunehmen hat, mithin die Pflicht auf den Arbeitnehmer delegiert wird. Gerade bei einer Vertrauensarbeitszeit könnte es dann sogar genügen, wenn man dies den Arbeitnehmer eigenverantwortlich erledigen lässt und die Einhaltung dieser Pflicht lediglich (etwa durch regelmäßige Vorlage) kontrolliert.

Wesentlich ist, dass das jeweilige System zu Ihren Bedürfnissen passt und es eine Zeiterfassung für sämtliche Mitarbeiter in den unterschiedlichen Funktionen ermöglicht, z.B. auch im Außendienst.

Zum 01.08.2022 ist die Neufassung des Nachweisgesetzes in Kraft getreten, die auf einer europäischen Richtlinie aus dem Jahr 2019 beruht; der deutsche Gesetzgeber hat sich allerdings mit der Umsetzung etwas Zeit gelassen und zudem nicht von sämtlichen Möglichkeiten Gebrauch gemacht, welche die Richtlinie eröffnet hätte, insbesondere zur Digitalisierung.

Neu ist das Nachweisgesetz jedoch nicht. Bereits zuvor bestand seit 1995 die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn ein handschriftlich vom Arbeitgeber unterschriebenes Dokument auszuhändigen, in dem die wesentlichen Vertragsbedingungen festgehalten waren. Dabei ist zu bedenken, dass Arbeitsverträge grundsätzlich nicht formbedürftig sind, wenn man einmal von Besonderheiten wie Befristungsabreden absieht, sondern eben auch mündlich oder konkludent zustande kommen können.

Dass dem Nachweisgesetz in den letzten über 20 Jahren wenig Bedeutung zukam, hat vor allem zwei Ursachen. Zunächst konnten – und können weiterhin – die Nachweispflichten auch dadurch erfüllt werden, dass die erforderlichen Angaben in einem schriftlichen Arbeitsvertrag enthalten sind. Und daneben fehlte eine echte Sanktion, wenn die Nachweispflichten nicht erfüllt wurden. Lediglich prozessual ergaben sich im Streitfall Beweiserleichterungen für Arbeitnehmer oder es kamen Schadensersatzansprüche in Betracht. Dies hat sich nun geändert, da Verstöße gegen das Nachweisgesetz durch die neue Regelung eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit darstellen.

Auch inhaltlich hat sich einiges getan und durch das drohende Bußgeld haben manche Angaben größere Bedeutung erlangt, wie etwa solche zum Arbeitsort, die in Arbeitsverträgen häufig fehlten, wenn der Arbeitgeber ohnehin nur einen Standort unterhält. Ebenfalls dazu gehören die bisher schon nötigen Angaben zur Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts, bei denen nun das Erfordernis einer getrennten Angabe der Entgeltbestandteile sowie des Fälligkeitszeitpunkts und der Art der Auszahlung hinzugekommen sind.

Angaben über Ruhepausen und Ruhezeiten sind jetzt auch aufzunehmen, sofern diese vereinbart sind, und bei einer Schichtarbeit müssen das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen schriftlich geregelt sein. Gleichfalls sind jetzt Angaben zur Anordnung von möglichen Überstunden und deren Voraussetzungen erforderlich.

Scheinen diese Angaben noch nachvollziehbar zu sein, sind weitere Inhalte hinzugekommen, deren Sinn sich nicht sofort erschließt, die aber einfach zu handhaben sind. Dazu gehören insbesondere Angaben über das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren; insoweit zumindest das Schriftformerfordernis, die Kündigungsfristen sowie die Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.  

Auch die Fristen, innerhalb derer der Nachweis auszuhändigen ist, haben sich geändert. Angaben über die Vertragsparteien, die Vergütung und die Arbeitszeit sind bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung erforderlich. Weitere Angaben müssen dann spätestens am siebten Kalendertag und die restlichen Angaben spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn erfolgen. Wem dies zu viel ist, der ist gut beraten, vor Arbeitsaufnahme einen schriftlichen Arbeitsvertrag zu abzuschließen, der sämtliche erforderlichen Angaben enthält. Dies wird aber von den meisten Arbeitgebern ohnehin schon so gehandhabt.

Schriftlich bedeutet dabei übrigens mit jeweils eigenhändiger Unterschrift; die elektronische Form hat der Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen, obwohl die Richtlinie diese Möglichkeit vorgesehen hatte. Auch ein wirksam mit Unterschriften in elektronischer Form abgeschlossener Arbeitsvertrag kann daher die Nachweispflichten nicht erfüllen, so dass dann neben dem Vertrag der eigenhändig unterschriebene Nachweis erforderlich bleibt.

Die Neuregelungen gelten nur für Verträge, die ab dem 01.08.2022 abgeschlossen werden, und Bußgelder werden ebenfalls nicht für vergangene Verstöße fällig. Allerdings können Arbeitnehmer ergänzende Angaben verlangen, wenn ihr alter Arbeitsvertrag noch nicht alle nach dem aktuellen Nachweisgesetz erforderlichen Angaben enthält. Dieser Aufforderung muss der Arbeitgeber dann für einige Angaben nach sieben Tagen und im Übrigen vollständig einen Monat nach der Aufforderung durch den Arbeitnehmer nachkommen.

Nach dem 01.08.2022 abzuschließende Verträge müssen in jedem Fall den neuen Anforderungen genügen, wenn sie den schriftlichen Nachweis ersetzen sollen. Wurden bislang aber belastbare Vorlagen verwendet, hält sich der Anpassungsbedarf in überschaubaren Grenzen. Bei dieser Gelegenheit können die bislang verwendeten Vorlagen auch gleich auf Aktualität geprüft werden, was ohnehin von Zeit zu Zeit erfolgen sollte, um den jeweils neuen Anforderungen der in diesem Bereich relativ regen Rechtsprechung zu genügen.

Wesentlich ist, dass das jeweilige System zu Ihren Bedürfnissen passt und es eine Zeiterfassung für sämtliche Mitarbeiter in den unterschiedlichen Funktionen ermöglicht, z.B. auch im Außendienst.

 

Wenn Sie zudem ein arbeitsrechtliches Update (News aus Gesetzgebung und Rechtsprechung) wünschen, empfehlen wir den Besuch eines der IHK-Vorträge.